Russische Uhren
Exkurs: Dueber-Hampden Watch Co.
Die Firmengeschichte von Dueber und Hampden kennzeichnet die wechselvolle Entwicklung der amerikanischen Uhrenindustrie: Aus dem Konkurs der einen Firma erwächst eine neue und aus der damals in den USA üblichen arbeitsteiligen Produktion von Uhrwerk und Gehäuse entsteht durch die Fusion von Hampden und Dueber das, was man heute einen „integrierten Konzern“ nennt.
Die Sowjetunion hat viel von der Doppel-Firma Dueber Hampden übernommen:
- Da ist einmal die Konzern-Struktur:
- Wie bei Hampden wurde alles, was für das Uhrwerk benötigt wurde, im eigenen Haus hergestellt
- Wie in der Doppel Firma durch Dueber wurden auch in Moskau der größte Teil der Gehäuse in der 1. Staatlichen hergestellt. (In Ohio wie auch in Moskau wurden darüber hinaus Gehäuse von Fremdfirmen bezogen)
- Das „Hampden: 8/0 Size, Model 5“ wurde für kurze Zeit zur ТИП 4
- Das „Hampden: 3/0 Size, Model 5“ wurde für kurze Zeit zur ТИП 3
- Das „12 Size, Model 5“ wurde, ebenfalls nur kurzzeitig, zur ТИП 2
- Das „16 Size, Modell 5“ war als ТИП 1 als Basiskaliber lange Zeit das „Mädchen für alles“ in der Sowjetunion.
Auf die ТИП 1 gehe ich in einem eigenständigen Kapitel ein. Die ТИП 2, ТИП 3 und ТИП 4 behandele ich im Kapitel über die 1. Staatliche Uhrenfabrik, Moskau.
Ein Vergleich des „american way of watch making“ mit dem russischen verdeutlicht aber auch die grundlegend unterschiedlichen Vorgehensweisen zwischen den frühkapitalistischen USA und dem Denken in „5-Jahr-Plänen“ von Stalin.
Um Verbindendes und Trennendes aufzuzeigen, soll die Geschichte und die Produktvielfalt von Dueber-Hampden exemplarisch aufgezeigt werden.
Developement of Hampden Watch Co.
Mozart Watch Co., Providence, Rhode Island | 1864 | bis | 1866 |
New York Watch Co., Providence, Rhode Island | 1866 | bis | 1867 |
New York Watch Co., Springfield, Mass. | 1867 | bis | 1875 |
New York Watch Mfg. Co., Springfield, Mass. | 1875 | bis | 1876 |
Hampden Watch Co., Springfield, Mass. | 1877 | bis | 1886 |
Hampden-Dueber Watch Co., Springfield, Mass. | 1866 | bis | 1888 |
Hampden Watch Works., Canton, Ohio | 1888 | bis | 1923 |
Hampden Watch Co., Canton, Ohio | 1888 | bis | 1923 |
Dueber Watch Case Mfg. Co., Canton, Ohio | 1889 | bis | 1923 |
The Dueber-Hampden Watch Co., Canton, Ohio | 1923 | bis | 1931 |
Equipment sold to Amtorg and moved to U.S.S.R. | 1930 |
(Hernick/Arnold: Hampden Watch Co., S. ix)
Die "Hampden Watch Co." wurde 1877 in Springfield, Massachusetts gegründet. Sie geht zurück auf die "New York Watch Co." die 1866 aus "The Mozart Watch Co" in Providence, Rhode Island, entstanden ist. Don J. Mozart, ein Auswanderer aus Italien, hatte die Idee, eine Billiguhr mit nur drei Rädern zu produzieren.
John C. Dueber, ein Auswanderer aus Deutschland, begann 1864 damit, Uhrgehäuse zu bauen. In der 2. Hälfte des letzten Jahrhunderts war es in den USA üblich, dass Uhrwerke und Gehäuse in unterschiedlichen Fabriken gebaut wurden. Bereits frühzeitig hatten sich Uhrwerke- und Gehäusefabrikanten auf genormte Werkdurchmesser geeinigt. Die gängigsten waren 18, 16 und 12 Size für Herrenuhren und 10, 8 und 6 Size für Damenuhren.
Die Dueber Watch Case Co. und Hampden Watch Co. arbeiteten eng zusammen. Dueber lieferte Gehäuse an Hampden und Hampden Uhrwerke an Dueber. Im Jahr 1866 kaufte sich John C. Dueber bei Hampden ein. Das Ergebnis war die "Hampden-Dueber Watch Co." in Springfield, Mass.. Diese Gesellschaft bestand zwei Jahre bis zu Ihrem Umzug nach Ohio. In Canton, Ohio, trennten sich die beiden Firmen Hampden und Dueber und produzierten in der Zeit von 1888 bis 1923 als "Hampden Watch Co." und als "Dueber Watch Co.". 1923 fusionierten sie wieder zu "Dueber-Hampden Watch Co.".
John C. Dueber starb am 6. November 1907. Zu dieser Zeit hatten die Dueber-Hampden Fabriken ihren Produktions-Höhepunkt. Sein Sohn Albert versuchte die Geschäftspolitik seines Vaters fortzuführen. Aber nach dem Ersten Weltkrieg änderten sich die wirtschaftlichen Bedingungen in den USA und damit auch die Geschäftsbedingungen für die Uhrenindustrie. Der Anteil der Uhren von Hampden und Dueber am Gesamtverkauf ging deutlich zurück. Daran änderte auch die Fusion von 1923 zu Dueber-Hampden nichts. „Albert Dueber continud as chief executive officer of the merged million-dollar organization until the various difficulties became too great. In September, 1925, he sold out to a group of Cleveland, Ohio, business menhesded by Mr. Walter Vrettman.” (Gibbs: Complete Dueber-Hampden Story, S. 31)
Das Ende der Firma fassen Hernick und Arnold kurz zusammen: „The new owners had no experience in the watch business and were short of working capital. This resulted in a further shortage of funds and a loss of much prestige in the trade. Financing and poor business practices led inevitably to receivership in 1927.” (Hernick/Arnold: Hampden Watch Co., S. ix)
Der Bericht des Konkursverwalters ist bei Gibbs als Anhang 1 auf zehn Seiten veröffentlicht. Bleibt anzumerken, dass das Konkursverfahren erst im Sommer 1931 abgeschlossen wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Gesellschaft etwas mehr als fünf Millionen hochwertige Uhren gebaut.
- Die wechselvolle Geschichte von Dueber-Hampden ist durchaus typisch für die amerikanische Uhrenindustrie von der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur Weltwirtschaftskrise nach den Ersten Weltkrieg.
- In Russland begann die Industrialisierung mit dem ersten Fünf-Jahr-Plan von Stalin im Jahr 1928. Von 1930 bis zur politischen Wende sechzig Jahre später war die russische Uhrenindustrie in von oben vorgegebenen Strukturen gefestigt. Eine einmal gegründete Fabrik mit tausenden von Arbeitern hatte auf Dauer einen festen Platz im Wirtschaftsgefüge. Lediglich der Name der Fabrik und das Markenzeichen wechselten - so wurde beispielsweise aus der „1. Staatlichen Uhrenfabrik“ nach dem Krieg die „1. Moskauer Uhrenfabrik“ und nach den Weltraumerfolgen Ende der 1950er Jahre „Poljot“.
Hernick und Arnold haben die den Jahreszahlen zugeordneten Serien-Nummern der Hampden Watch Co. Veröffentlicht (highest advertised serial number found within year listed). Die höchste bekannte S/N ist: 3.979.132.
Die Zahlen in der Tabelle sind in Tausendern angegeben (Hernick/Arnold: Hampden Watch Co., S. 112):
1877 > | 0.058 | 1891 > | 0.802 | 1902 > | 1.605 | 1911 > | 2.810 | ||||
1878 > | 0.064 | 1896 > | 1.068 | 1904 > | 1.761 | 1917 > | 3.236 | ||||
1881 > | 0.108 | 1899 > | 1.141 | 1905 > | 2.052 | 1919 > | 3.327 | ||||
1887 > | 0.360 | 1900 > | 1.272 | 1908 > | 2.463 | 1925 > | 3.723 | ||||
1890 > | 0.700 | 1901 > | 1.500 | 1909 > | 2.777 | 1927 > | 4.000 |
Hampden - Größen, Typen, Spezifikationen, Modelle
Die Größe einer Uhr wird an der oberen Platine („pillar plate“ mit der „dial edge“), auf der bzw. in der das Zifferblatt befestigt ist, gemessen.
Die gebräuchlichen Maße sind: „Size“, Millimeter, „Linie“ (´´´) und „Inch“
Die hier, von Dueber-Hampden ausgehend, verwendeten Maße sind:
Size | mm | Linien | Inches | TYP | mm | Linien | |
18 | 44,87 | 20 ´´´ | 1,767 | ||||
16 | 43,18 | 19 ´´´ | 1,70 | >> | ТИП 1 | 40,60 | 18 |
12 | 39,79 | 17 ¾ ´´´ | 1,567 | >> | ТИП 2 | 38,35 | 17 |
3/0 | 27,91 | 12 ¾ ´´´ | 1,10 | >> | ТИП 3 | 27,02 | 12 |
5/0 | 26,30 | 11 ¾ ´´´ | 1,033 | ||||
8/0 | 23,71 | 10 ½ ´´´ | 0,933 | >> | ТИП 4 | 22,56 | 10 |
11/0 | 21,17 | 0,83 |
- Die Angaben für die vier russischen Uhren stammen aus einem Prospekt der 1. Staatlichen Uhrenfabrik aus dem Jahr 1932 sowie aus Manuskripten über diese Zeit.
Bei den Hampden-Werken unterscheiden sich die 3/0 und die 5/0 Size-Werke lediglich durch den Durchmesser der oberen Platine („pillar plate“), in der bzw. auf der das Zifferblatt befestigt ist. Das „3/0-Werk“ hat einen um die „dial edge“ größeren Durchmesser.
Die „back plate“, die Platine, die man sehen kann, wenn die Rückseite der Uhr geöffnet ist, haben bei beiden Größen denselben Durchmesser.
Bei dem 5/0 Size-Werk liegt das Zifferblatt auf dieser Platine und schließt bündig mit ihr ab. Bei dem 3/0 Size-Werk liegt das Zifferblatt in der oberen Platine und wird von ihr mit einem Rand von 0,8 mm umfasst. Ob es sich bei den Typen: „400“, „401“, „Diadem“ oder „Molly Stark“ um ein 3/0- oder ein 5/0-Werk handelt, kann man nur erkennen, wenn das Zifferblatt frei gelegt ist.
Über die Werks-Kaliber 3/0 und 5/0 schreiben Hernick / Arnold:
„3/0 Size movements (27,91 mm. dia. pillar plate >dial site<) have 26,11 mm. dia. back plates (plates seen when case-back is open). Both 3/0 and 5/0 Size have the same back plates. 3/0 Size movements have a dial edge that will not be found on 5/0 Size.“ (Hervorhebungen durch Hernick/Arnold)
- Im Kapitel „TYP 1 - Passport“ zeige ich, dass die „dial edge“ der „pillar plate“ auch bei einigen russischen Nachbauten der 16 Size, Modell 5, nämlich der TYP 1, eine Rolle spielt.
Größen, Typen, Spezifikationen, Modelle
Die Produktpalette der Uhrwerke von Hampden umfasste insgesamt:
- 8 verschiedene Größen
- 32 Modellen
- 155 verschiedenen Typen (Steine, Justierung)
- 443 verschiedenen Spezifikationen (Grades)
(Die rot gekennzeichneten Modelle habe ich in der unten folgenden Auflistungen der Dueber-Hampden aus meiner Sammlung abgebildet)
Size | Modell / Shape | Modell / Shape | Modell / Shape | Modell / Shape |
18 | 1 / EA-331 | 2 / EA-332 | 3 / EA-333 | 4 / EA-334 |
16 | x / EA-335 | x / EA-702 | ||
16 | 1 / EA-336 | 2 & 3 / EA-337 | 2 & 3 / EA-338 | 4 / EA-339, 4 / EA-340 |
16 | 5 / EA-341 | 5 / EA-342 | 5 / EA-341A | |
12 | 3 / EA-343, 3 / EA-344 | 4 / EA-345, 4 / EA-346 | ||
12 | 5 / EA-347 | 5 / EA-348 | 6 / EA-349 | |
6 | 3 / EA-350 | |||
3/0 | 3 / EA-351, 3 / EA-352 | 4 / EA-353, 4 / EA-354 | ||
3/0 | 5 / EA-355 | 5 / EA-356 | ||
5/0 | 5 / EA-357 | 5 / EA-357A | ||
8/0 | 6 / EA-357B | |||
11/0 | 4 / EA-354A |
Gegenüber dieser Vielfalt betrug die Produktpalette der TYP 1 aus russischer Produktion:
- eine Größe
- ein Modell
- zwei Typen (7- und 15-steinig, beide un-adjusted)
- eine Vielzahl von Unterschieden im Detail (s.: Kapitel: TYP 1 – Passport)
Von den Modellen, die Hernick / Arnold in ihrem Standardwerk: „Hampden Watch Co.“ beschreiben, gehe ich vornehmlich auf die oben rot gekennzeichneten Modelle ein. Sie sind die Grundlage für die russische Uhrenindustrie:
- 16 Size, EA 341 wurde die ТИП 1
- 12 Size, EA 347 wurde die ТИП 2
- 3/0 Size, EA 356 wurde die ТИП 3
- 8/0 Size, EA 357B wurde die ТИП 4
Die ТИП 4 kenne ich nur aus Abbildungen in der frühen Literatur der 1. Staatlichen Uhrenfabrik. Die Zuordnung zur 8/0 Size von Dueber-Hampden erfolgt aus den dort angegebenen Daten.
In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ging die amerikanische Uhrenindustrie auf den Wunsch ihrer Kunden ein und bauten kleinere und dünnere Uhren. Das Zeitalter der 18 Size Uhren (44,87 mm) war damit beendet.
Dueber-Hampden: alle „Modell 5“ und „Modell 6“
- Die 1. Staatliche Uhrenfabrik hat am 7. November 1930 die ersten 50 Uhren der TYP 1 RIO 1 fertig gestellt. Die „Elterngeneration“ dafür war das Werk Hampden, 16 Size, Model 5.
- In meinem Kapitel: „TYP 1 – Pasport“ habe ich die Modifikationen der russischen Uhrenfabriken an diesem Werk dargestellt.
In diesem Exkurs zeige ich tabellarisch die Vielfalt der „Model 5“ und der „Model 6“ aus der Produktion von Dueber-Hampden nach der Systematik von Hernick/Arnold: Hampden Watch Co.
Legende
1. Spalte: Name oder Nummer der Uhr, wie sie auf dem Werk gekennzeichnet ist
2. Spalte: Modell-Nummer der Uhr
3. Spalte: Anzahl der Steine
4. Spalte: mit vier Ziffern:
- 1. Ziffer: Gehäuse:
- "O" Open Face, Krone bei "12"
- "H" Hunting Case, Krone bei "3"
- - 2. Ziffer: Oberflächenveredlung des Werkes:
- "N" Nickel
- "G" Gold
- "T" Zwei-Ton
- 3. Ziffer: Modell-Nummer (Bezug ist jeweils die Größe der Uhr)
- 4. Ziffer: Zeiger-Stellsystem:
- "L" Lever Set
- "P" Pendant Set / Stem Set
- "B" Button Set / Pin Set
5. Spalte: Justierung
- "U" Unadjusted
- "A" Adjusted
- "3P" Adjusted to 3 Positions
- "5P" Adjusted to 5 Positions
6. Spalte: "RRG" Railroad Grade
Beispiel:
1. Spalte | 2. Spalte | 3. Spalte | 4. Spalte | 5. Spalte | 6. Spalte |
Special Railway | 341 | 23 | O_N_5_L | 5P | RRG |