Russische Uhren
Wanduhren
Nach dem „Großen Vaterländischen Krieg“ hat die Sowjetunion die Produktion von Uhren für Schiffe in großem Stil industriell ausgebaut. Das gilt auch für Wand-Uhren für Schiffe (wall/naval clock).
Diese wurden nach 1945 auf der Grundlage der Produktion in der Zeit vor dem Krieg weiterentwickelt. Durch die Kriegs-Evakuierungen der Uhrenfabriken aus Leningrad und Moskau in den Ural wurde die Produktion dieser Uhren in Tschistopol fortgesetzt:
„ЧИСТОПОЛЬСКИЙ ЧАСОВОЙ ЗАВОД“ / „Tschistopoler Uhren-Fabrik“ mit der Signatur: „ЧЧЗ“ in einem Kreis mit drei Strichen links und rechts. In den 1960er Jahren wurde diese Fabrik umbenannt in „ВОСТОК“:
Mir sind zwei „Generationen“ der naval clocks aus Tschistopol bekannt.
Der Generationen-Wechsel erfolgte etwa um 1960. Wann er genau stattgefunden hat, kann ich aufgrund der wenigen mir vorliegenden Unterlagen nicht sagen.
Die mir vorliegenden Werke der 1. Generation stammen aus: 4-50, 3-54 und 1-56. Und auch die weiter unten gezeigte „ЧКГ“ mit E-Kontakten hat das Basis-Kaliber der 1. Generation aus 1-58.
Das älteste Werk meiner Sammlung aus der 2. Generation stammt aus: 2-65.
Für die sieben Jahre zwischen 1-58 und 2-65 habe ich keine Unterlagen.
1. Generation der Schiffs-Wand-Uhren aus Tschistopol
Die zylindrischen, verchromten Metall-Gehäuse mit einem vorderen Deckel, wie sie beispielsweise auch von der „Fabrik für Marine-Instrumente“ „ЗАВОД МОРЕХОДН. ИНСТРУМЕНТОВ“ für die Nummer: No 3387 genutzt wurde (Unter-Kapitel: 1917 bis 1945), waren bei den Gehäusen der Standard für die Schiffs-Wand-Uhren der 1. Generation.
Viereckige Holz-Gehäuse, wie sie in der Vorkriegszeit genutzt wurden, sind mir aus der Nachkriegszeit nicht bekannt.
Und auch bei den Werken finden wir in dieser Generation das gleiche Basis-Kaliber mit einer Anzeige für Stunde und Minute (ohne Sekunde) wie in der Vorkriegszeit.
Insbesondere für die ersten Nachkriegsjahre gilt, dass die Daten der jeweiligen Herstellung auf den Metallgehäusen, auf den Werke und auf den Echappements häufig nicht übereinstimmen.
Dafür dürfte es zwei Gründe geben:
Die drei genannten Bauteile wurden in unterschiedlichen Fabriken hergestellt und beim Zusammenbau in Tschistopol wurde das genommen, was verfügbar war. Hinzu kommt, dass das Echappement, wenn beispielsweise ein Zapfen gebrochen war, nicht repariert sondern ausgetauscht wurde.
Ein Beispiel dafür ist eine Uhr aus Tschistopol mit einem Gehäuse von 3-49, einem Werk von 1-56 und einem Echappement von 2-54.
Das Zifferblatt dieser Uhr hat noch keine Hersteller-Kennung.
Bei diesem Werk aus 1-56 ist die Brücke für das Federhaus und die Aufzugswelle aus der Platine herausgearbeitet. Bei früheren Uhren dieser Art ist diese Brücke als eigenständiges Bauelement aufgeschraubt.
Ein Beispiel dafür ist die Wand-Uhr mit Werk und Gehäuse aus 4-50 und einem Echappement ohne Kennung für die herstellende Fabrik und ohne Herstellungs-Datum.
Auch diese Uhr hat noch ein Zifferblatt ohne Hersteller-Kennung.
Ein weiteres Beispiel ist die Wand-Uhr mit Werk und Gehäuse aus 3-54 und einem Echappement von 2-62:
Bei dieser Uhr ist auch auf dem Zifferblatt zu erkennen, dass dieses auch aus Tschistopol kommt:
„СДЕЛАНО В СССР ЧЧЗ“ / „Hergestellt in der UdSSR, Tschistopoler Uhren-Fabrik“
Mark Gordon hat unter seiner Nr. „0249“ eine naval clock abgebildet, die auf dem Gehäuse das Datum „3-58“ trägt und bei der die Kennung auf dem Zifferblatt nur noch aus: „СДЕЛАНО В СССР“ besteht. Das „ЧЧЗ“ nicht mehr vorhanden.
2. Generation der Schiffs-Wand-Uhren aus Tschistopol
Um 1960 haben die Experten aus Tschistopol ein grundlegend neues Werk für die Schiffs-Wand-Uhr entwickelt.
Ich habe fünf Uhren dieses Typs in meiner Sammlung und ein bemerkenswertes „fake“ auf Basis des neuen Werkes.
Äußerlich erkennbar ist der neue Typ an dem Aufzug und an dem Gehäuse.
Der Aufzug erfolgt über den Vierkantkegel des Federkerns, über der „6“, mit einem Schlüssel.
Das Gehäuse ist aus matt lackiertem Spritzguss mit veränderter Halterung für die hölzerne Wandplatte. Es ist nicht mehr zylindrisch, wie beim Vorgänger, sondern nach vorne hin abgerundet und der Deckel wird mit dem Aufzugsschlüssel entsperrt.
Die Werke der mir vorliegenden Uhren dieser 2. Generation sind baugleich.
Die Zifferblätter haben unterschiedliche Kennungen:
Hersteller-Kennungen sind normalerweise: „СДЕЛАНО В СССР“. Es gibt sie aber auch mit dem Zusatz: „ЧЧЗ“
Auf einer meiner Uhren steht ferner der Zusatz: „АНТИМАГНИТНЫЕ“ / „antimagnetisch“. Da sich Werk und Gehäuse nicht von meinen anderen Wand-Uhren unterscheiden, ist der Sinn dieses Zusatzes für mich nicht erkennbar.
Bei dieser Uhr mit dem Gehäuse und dem Echappement aus „2-71“ hat das Werk noch die Kennung aus Tschistopol aber seit 1968 tragen die Werke keinen Hinweis mehr auf das Datum der Herstellung.
Sie ist eine von zwei Uhren aus dieser Serie in meiner Sammlung mit Leucht-Zeigern und Leucht-Zahlen.
Die zweite aus meiner Sammlung ist die einzige, bei der Gehäuse, Werk und Echappement mit „1-67“ das selbe Herstell-Datum tragen:
Bilder meiner beiden Uhren mit den Gehäusen aus 2-65 und 4-68 füge ich ein, um Sammlern weitere Vergleichsmöglichkeiten zu bieten.
Wo an Bord die bisher genannten naval clocks eingesetzt waren, ist nicht klar definiert.
Das ist bei der folgenden Uhr mit ihrer Zuordnung zu Funkräumen anders:
Auf die Bedeutung der roten Sektoren der Wand-Uhren für Funkräume bin ich im Vorspann für das Kapitel: „Schiffe und Uhren“ bereits eingegangen.
Die hell- und dunkel-roten Sektoren stehen für einen Bereich, der für das Leben auf hoher See wichtig ist und zwar für den Funk-Verkehr - Sprech-Funk und Telegraphie-Funk.
Um auch schwache Notrufe empfangen zu können, wird zu bestimmten Zeiten - vier Mal pro Stunde für jeweils drei Minute - kein Funk-Signal gesendet. Alle Geräte stehen auf Empfang:
Zwei Mal stündlich, für jeweils drei Minuten nach jeder vollen Stunde („00“ bis „03“) und nach jeder halben Stunde („30“ bis „33“) wird der Seefunkverkehr für Notsignale im Sprech-Funk frei gehalten. Diese beiden Bereiche sind auf den russischen Uhren hell rot gekennzeichnet. International üblich ist eine blaue Kennung.
Die Bereiche „15“ bis „18“ und „45“ bis „48“ auf der Minuten-Scala werden für Notsignale im Telegraphie-Funk frei gehalten Sie sind auf den russischen Uhren in einem dunkleren rot gekennzeichnet.
Eine ganz besondere naval clock mit dem Basis-Kaliber der 2. Generation kann man einfach als „fake“ abtun oder sie wohlwollend als Werk eines Uhrmacher-Lehrlings im zweiten Lehrjahr einstufen.
Ich stufe sie als „fake“ ein. Da ich jedoch mehrere solcher „Kunstwerke“ gesehen habe, werde ich kommentarlos nur Bilder veröffentlichen, die auch das Innenleben dieser Uhr zeigen. Dabei wird deutlich, was man auf den ersten Blick nicht erkennen kann nämlich, dass an dem Werk aus Tschistopol auf primitive Art und Weise gepfuscht wurde.
Wand-Uhren mit E-Kontakten
Ich habe zwei Schiffs-Wand-Uhren mit Elektro-Kontakten. Die „ЧКГ“ und eine ohne Kennung.
Auf dem Typenschild der „ЧКГ“ aus dem Jahr 1958 mit der Serien-Nummer „8107“ ist die Kennung des Herstellers weggekratzt. Wofür „ЧКГ“ steht, ist mir nicht bekannt.
Auf einer baugleichen Uhr von 1957 mit der Ser.-Nr. „7007“, die bei Mark Gordon abgebildet und gut beschrieben ist, kann man erkennen, dass auf dem Symbol des Herstellers „МСП“ steht (МИНИСТЕРСТВО СУДОСТРОИТЕЛЬНОЙ ПРОМЫШЛЕННОСТИ / Ministerium für Schiffbau).
Die Uhr mit ihrem massiven wasserdichten Gehäuse aus Gusseisen hat ein Gewicht von 4,2 kg und einen verschraubten Front-Deckel.
Das Basis-Werk der „ЧКГ“ ist das der oben beschriebenen 1. Generation.
Der Einsatzbereich dieser einfachen, von außen nicht zu beeinflussenden „Ein/Aus-Schaltung“ ist mir nicht bekannt.
Meine zweite Schiffs-Wand-Uhren mit Elektro-Kontakten hat weder auf dem wasserdichten Gehäuse noch auf dem Uhrwerk noch auf dem Echappement aus dem 1. Quartal 1968 (1-68) eine Hersteller-Kennung. Auf dem Zifferblatt ist lediglich die Nummer „025“ und Werk sowie Echappement haben eine Serien-Nummer.
Das spricht für einen rein militärischen bzw. hoheitlichen Einsatz dieser Uhr. Der spezifische Einsatzbereich dieser Uhr ist mir nicht bekannt.
Das Rad bei „6“ ist zum Aufziehen der Uhr und das Rad bei „3“ zum Ein- und Ausschalten der Kontakte. Die Anschlüsse, rechts unten an der Seite des Gehäuses, haben in der Mitte den gemeinsamen „Plus-Pol“ für die rechts und links davon liegenden Schaltdrähte.
Das Uhrwerk unterscheidet sich grundlegend von den bisher beschriebenen Werken. Ich habe es bisher nur in dieser Uhr gesehen und auch in der russischen Literatur keine Unterlagen darüber gefunden.
Symbole und Marketing
Zum Schluss dieses Kapitels möchte ich noch kurz eingehen auf das Marketing russischer Vertriebschefs von Uhren.
Im Sommer 2016 habe ich mit meinen Moskauer Freunden Vera und Alexander eine längere Schiffsreise auf der Wolga mit der „ПРЕЗИДЕНТ“ unternommen.
Es dürfte wohl kaum ein Zweifel daran bestehen, dass es sich bei der „PRESIDENT“ um ein Kreuzfahrtschiff handelt und nicht um ein Atom-U-Boot.
Dennoch: Auch die Berufsschiffer greifen für ihre Schiffs-Wand-Uhr auf der Brücke gerne auf ein Atom-U-Boot als Symbol für ein starkes Russland zurück.
Die abgebildete Uhr unterscheidet sich in drei Punkten von denen, die ich vorher zur 2. Genration gezeigt habe:
- Sie trägt das Logo der in „ВОСТОК“ umbenannten „ЧИСТОПОЛЬСКИЙ ЧАСОВОЙ ЗАВОД“ / ЧЧЗ“
- Sie ist ein Export-Modell, wie an der nur für den Export genutzten Beschriftung: „Made in Russia“ zu erkennen ist.
- Die Anordnung des Herstellungsdatums - 1. Quartal 2003 - wurde verändert Hier steht erst das das Jahr und dann folgt das Quartal: „03-1“. Bei den anderen gezeigten Uhren aus dem 20. Jahrhundert war es umgekehrt.