Russische Uhren
7. Uhrmacher in Russland
Anmerkung: Die blau geschriebenen Namen sind mit Bildern von Taschen- / Armband-Uhren aus meiner Sammlung hinterlegt. Dabei handelt es sich nur um eine kleine Ergänzung von Uhren aus der Zarenzeit, die an anderer Stelle in der Literatur umfangreich veröffentlicht sind.
Chenakal (Chenakal: Watchmakers) gibt einen kurzen aber guten historischen Überblick über 450 Jahre (1400 bis 1850) und benennt dann 620 Uhrmacher aus dieser Zeit. Er schreibt, er habe dafür alle historischen Dokumente ausgewertet. Leider nennt er keine Quellen und die meisten der Uhrmacher sind nur mit Namen sowie Ort und Zeit ihres Wirkens genannt.
Das erste Buch, in dem Russlands Uhren aus der Zarenzeit mit Text und vielen Abbildungen dargestellt sind, hat Klaus Seide Mitte der 1990er Jahre im Eigenverlag veröffentlicht. Es ist 1997 in der 4. erweiterten Auflage erschienen. (Seide: Band 1)
Das Polytechnische Museum in Moskau hat 2007 auf 240 großformatigen Seiten 145 Uhren der eigenen Sammlung und deren Geschichte, die bis 1917 reicht, veröffentlicht. (Polytechnical Museum, Moscow: Timepieces by master craftsmen)
Einige der Uhrmacher in und für Russland aus der Zarenzeit sind international bekannt, wie beispielsweise Fabergé, der Hoflieferant des Zaren aus St. Petersburg, Ericcson mit seinen Chronometers und Taschenuhren sowie Buhre und Moser mit ihren Filialen in St. Petersburg und Moskau.
Mitte der 1990er Jahre habe ich bei einem meiner Streifzüge durch Antiquitätengeschäfte auf dem „Arbat“ in Moskau ein Uhrwerk besonderer Ausführung entdeckt:
Die Werks-Platine ist der Russische Doppeladler, der Aufzug erfolgt über Kette und Schnecke und ein Malteserkreuz lässt nur die mittlere Federkraft wirksam werden. Für die Ganggenauigkeit sorgt eine Chronometer-Hemmung mit Wippe.
Das Auge am linken Kopf des Adlers, der Rubin in einem dreifach verschraubten Chaton, ist nur dazu da, damit der Adler besser sehen kann, denn dieser Stein hat für das Uhrwerk keine Bedeutung.
Bei genauem Hinsehen kann man eine russische Besonderheit des Auswuchtens der bi-metallischen Schrauben-Unruh entdecken:
> Wenn ich keine passende Masse-Schraube habe, wird sie mit einer Feile passend gemacht <
Leider hatte das Werk kein Gehäuse, an dem man den Meister dieser Uhrmacherkunst ablesen könnte. Aber auf der unteren Platine steht, mit einer Stahl-Nadel in kyrillischen Buchstaben eingeritzt:
„A. Goldberg“ und: „Baku 19 1/VIII 14“.
Mit Beginn der Moderne unter Peter I. war die Zeit reif für Uhrmacher in Russland, wie ein Auszug aus den „Watchmakers“ und der Zeittafel in Band 1 von Klaus Seide zeigt:
1725 – 1802 | Egor Grigorewitsch Kuznetsow, gen.: Epinsky, |
1762: Metallwerkmeister in der Nischij-Tagilskij-Fabrik | |
1755/75: drei Wanduhren mit astronomischen Angaben | |
1726 – 1736 | Johann Georg Leutmann, Prof. für Mechanik, Uhrentechnik und Optik an der Wissenschaftlichen Akademie in St. Petersburg |
1731 – 1735 | P. O. Golynin, Kugel-Sonnenuhren |
1735 – 1818 | Iwan Petrowitsch Kulibin, Nischnij-Nowgorod, Wanduhren, Eiförmige Uhr für Katharina II |
1787: Direktor der Werkstatt der Akademie der Wissenschaften St. Petersburg | |
1742 – 1784 | Jean Pierre Ador, sign.: „I.A.“, Juwelier in St. Petersburg, Prunktaschenuhr, Lieferant für Katharina II |
1760 – 1795 | Jean Fazy, Genf, Paris, Stockholm, Moskau, Uhrmacher am Hof von Katharina II |
Um 1760 | Fedor Kowalsky, Krementschuck (Ukraine), Taschen- und Karossen-Uhren mit Repetition und Selbstschlag |
1764 – 1794 | Sweschnikow, Wassilij K., |
1742 bis 1772 an der Akademie in St. Petersburg, u.a. Leiter der Instrumentenklasse für die Fertigung von Navigationsinstrumenten für die Admiralität, Sonnenuhren, Navigationsinstrumente | |
1764 – 1805 | Peter Nordsteen, Uhrenfabrik in Dubrowna (Weißrussland) und später in Kupawna bei Moskau |
1773/99: Lehrmeister an der Uhrmacherklasse der Petersburger Akademie, Ringuhr für Katharina II | |
1764 – 1809 | Schishorin, Sonnenuhren |
Direktor der Navigationswerkstatt an der Wissenschaftlichen Akademie in St. Petersburg | |
1774 – 1777 | Sandow-Balizier, Uhrenfabrikation |
1784 | Potemkin, Uhrenfabrik in Dubrowna |
1793 – 1817 | Sazikow, Pawel Feodorowitsch und Söhne, Silberschmiede, Uhrengehäuse |
1800 – 1802 | Francis Iwanowitsch Morgan, Uhren für die Admiralität |
1825 – 1852 | Lev Sidorowitsch Netschajew, Jaroslavl, Wanduhren aus Holz mit astronomischen Angaben |
1828 – 1849 | Hauth, Friedrich, St. Petersburg, Chronometremacher |
1829 – 1853 | Toystoij, I.W., Jahresuhren und Chronometer |
1829 – 1852 | I. Nosow und Söhne, Uhrmacher in Moskau, Chronometer |
1830 – 1850 | Tolstoy, N.S., Uhren mit Tourbillon-Hemmung |
1840 | Meszgin, Iwan Nikolajewitsch, Turmuhren, astronomische Uhren |
1860: Lehrbuch | |
1841 | Fikhter; Iwan Iwanowitsch, Leiter der Petersburger Uhrmachergilde |
1842 | Fabergé, Gründung des Juweliergeschäfts in St. Petersburg |
1870/1918: Peter Carl Fabergé, | |
1884: Hoflieferant des Zaren | |
1849 – 1861 | Bernhard Florian, Moskau – Tischuhrenfabrik |
1850 | Gawrilow und Hawskij, Weltzeituhr |
1850 – 1870 | M.S. Bronnikow, Wjatka (nördlich Moskau), Uhren aus Holz und Bein |
1863 – 1885 | Johan Wirén, Chronometermeister |
1865 – 1917 | Ericsson, August und Söhne, Chronometermacher |
1885 | Skorodumow, Fjedor Terentewitsch, Nowgorod, Holzräder-Uhren |
1890 | D. J. Bulachtin aus Astrachan, Taschenuhren |
1895 | Tobias, Silber-Taschenuhren |
1900 | Qte. Salter, Silber-Taschenuhren |
1905 | Friedrich Winter, St. Petersburg, Taschenuhren |
1906–1914 | Platow, Moskau, Fabrik für Wanduhren, Uhrenzubehör und Ersatzteile |
1908-1912 | Bolina, Moskau, Tischuhren |
Unter Katharina II. begann auch eine Vielzahl von Handelskontakten westeuropäischer Uhrenfabrikanten mit Russland:
Ab 1747 | Abraham Louis Breguet – Kontakte nach Russland, Lieferant des Russischen Adels |
1765 – 1825 | Hynam-Dynastie, englische Uhrmacherfamilie tätig in St. Petersburg |
1794 | Philippe DuBois & Co. Le Locle, Erste Handelskontakte mit Russland |
1799 – 1854 | Robert & Couvoisier, La-Chaux-de-Fonds, Handelskontakte mit Osteuropa |
Ab 1800 | Hugues Wenham, Agent für Breguet in St. Petersburg |
1808 – 1856 | Winterhalter, Egor, St. Petersburg Hoflieferant |
1815 | Buhré, Paul Leopold, St. Petersburg, Newskij-Prospekt |
1848 | Pawel Buhré (Sohn) Hoflieferant des Zaren, Uhrenfabrik in Le Locle |
1880 | Paul Girard, Direktor |
1827 – 1917 | Henry Moser, 1805/74: St. Petersburg, Moskau Reisen nach Wladiwostok und Turkistan Dr. h.c. Georg Henry Moser, gen.: Moser II |
1843 – 1850 | Pihl, Bernhardt, St. Petersburg, Agent für John Dent |
1843 – 1917 | Georg Favre-Jacot, Uhren für Russland |
1850 | Blondel, Taschenuhren für Russland |
1850 | Norbert de Patek in Russland Erste Kontakte mit dem Russischen Markt |
1853 | Charles Filicien Tissot, Uhrenhandel in Moskau |
1856 – 1880 | Winterhalter, Anton Egorowitsch, Hofuhrmacher St. Petersburg |
1833 – 1861 | De La Port, Ernst August, St. Petersburg, Newskij-Prospekt, Uhrenhandel mit Wand-, Tischuhren und Chronometer |
1860 | Louis Perret, Brenet Uhren für Russland: Perret u. Fils, Tolstoi-Etuiuhr |
1860 | Kartier & Girard, Taschenuhren für Russland |
1865 – 1917 | Aug. Ericsson und Söhne |
1880 | W. Gabus, Uhrmacher aus Le Locle, Uhren für Russland |
1894 | Borel Fils & Cie., Neuchatel, Taschenuhren für Russland |
1894 | P.M. Kalaschnikoff & Sohn, Moskau, Uhrenhandel |
1898 | M. Sokolow, Uhrenhändler in St. Petersburg |
19./20. Jahrh. | Nikolas Linden, St. Petersburg, Handelshaus für Taschenuhren |
Einige Uhren, wie "Dynamo" und "Pegasus" wurden ohne Herstellerangabe unter ihrem Vertriebsnamen verkauft.
Die Auflistungen von Chenakal und Seide und dem Polytechnischen Museum sind beeindrucken. Sie zeigen, dass Uhren etwas ganz Besonderes für die Großen und Reichen waren. Und sie zeigen, dass Russland ein großer Markt war für den Import von Uhren. Der einfache Bürger hatte keinen Zugang zu einer eigenen Uhr, denn eine Uhrenindustrie, die Uhren in großen Stückzahlen zu erschwinglichen Preisen herstellten, gab es nicht. Der einfache Mann war angewiesen auf die Turmuhr in seiner Nähe oder einfach auf den Stand der Sonne.