Russische Uhren
Schiffe und Uhren - navigare necesse est
"navigare necesse est – vivere non est necesse"
Das von Plutarch dem römischen Feldherrn Gnaeus Pompeius Magnus zugeschriebene Zitat ist in seinem verkürzten ersten Teil oft gebraucht und auch missbraucht worden. Mit dem später angehängten Zusatz: "sed sine vita non navigamus" erhält es einen - fast - humanistischen Sinn.
Ohne die "Christliche Seefahrt" und ohne Marine ist die Welt seit Menschengedenken nicht vorstellbar. Das gilt für die Handelsschiffe der Phönizier und die Koggen der Hanse genauso wie für die großen Entdeckungen zu Beginn der Neuzeit. Es gilt aber auch für die großen Seeschlachten.
Das größte See-Gefecht im Altertum war die Schlacht im Saronischen Golf vor der Insel Salamis. Dort fügten im September 480 v. Chr. 300 kleine, wendige Schiffe der Griechen einer persischen Flotte von 400 seegängigen Schiffen so schwere Verluste zu, dass der Perserkönig Xerxes I. sich geschlagen zurückziehen musste.
Mehr als 1.000 Jahre später fuhren die Wikinger (Waränger) mit ihren Booten auf der Newa, dem Dnjepr und dem Don bis in das Byzantinische Reich hinein und gründeten am Ladogasee und entlang der Flüsse viele Siedlungen. Sie begründeten so das mittelalterliche Russland.
Mehr als 2.000 Jahre nach der Schlacht von Salamis und viele Seefahrergenerationen nach den großen Entdeckungsreisen von Dias (1487 - 88), Kolumbus (1492 - 93), da Gama (1497 - 99), Magellan (1519 - 21) und Drake (1577 - 80) beginnt auch für Russland das "navigare necesse est".
Im Jahr 1688 hat Peter I. in dem kleinen Ort Weskowo am Pleschtschejewo-See (100 km nord-östlich von Moskau) die russische Flotte "auf Kiel gelegt". Im Sommer 1692 wurde die aus etwa 100 Schiffen bestehende "ПОТЕШНОЙ ФЛОТИЛИЙ" / "Fancy Fleet" auf dem Pleschtschejewo-See ausgesetzt.
In Prospekten von Pereslavl-Zalessky, der Stadt am "Goldenen Ring", zu der heute auch Weskowo gehört, ist nachzulesen, dass es sich um eine "Spielzeug-Flotte" gehandelt habe, zu der aber auch die mit 30 Kanonen bestückte Fregatte "Mars" gehörte.
Navigationsinstrumente brauchte Peter damals noch nicht, denn der See war – im wahrsten Sinne des Wortes – sehr übersichtlich und seine "Kriegs-Schiffe" mit einer Länge von 7,34 Meter waren der "Größe" des Sees angepasst.
Bei einem Großfeuer im Jahr 1783 wurden alle Boote mit einer glücklichen Ausnahme, die deswegen auch "Fortuna" genannt wurde, vernichtet. Die "Fortuna" steht seit 1803 in dem Museum "БОТИК ПЕТРА I" "Botik Petra I", einer der Sehenswürdigkeiten des "Goldenen Rings", die ich im April 2016 mit meinem Moskauer Freund Alexander besichtigt habe.
Neben der "ПОТЕШНОЙ ФЛОТИЛИЙ" von Peter I. möchte ich unter den vielen russischen Schiffen, die in die Geschichte eingegangen sind - wie der Panzerdeckkreuzer "Aurora" und das Atom-U-Boot "Kursk" - den Eisbrecher "Lenin" hervorheben. Stapellauf dieses weltweit ersten nuklear betriebenen Eisbrechers war am 5. Dezember 1957 und zwei Jahre später wurde er in Dienst gestellt. 30 Jahre lang hat die "Lenin" die Nord-Ost-Passage frei gehalten, die Einwohner Nordsibiriens versorgt und der Forschung gedient. Nach ihrer Stilllegung im Jahr 1989 wurde sie zu einem Museumsschiff im Hafen von Murmansk, wo ich sie im Sommer 2012 besichtigt habe.
Während die "Lenin" durch ihre Masse und ihre Kiel-Konstruktion in der Lage war, das Eis zu brechen, hat Fridtjof Nansen für seine Norwegische Polarexpedition (1893 – 1896) seinem Schiff, der "Fram", einen runden Kiel gegeben, durch den das Schiff angehoben wurde, wenn es in das Packeis kam, und damit gewissermaßen auf dem Eis schwamm.
Dieser "Aufrisse und Grundriss der Fram" ist abgedruckt in: "In Nacht und Eis. Die Norwegische Polarexpedition 1893 – 1896 von Fridtjof Nansen / Autorisierte Ausgabe, Erster Band, F. A. Brockhaus, 1897, S. 53.
Diese Konstruktion wurde später auch für die Schiffe angewendet, mit denen die Russen ihre Antarktis-Expeditionen durchgeführt haben.
Antarktis-Expeditionen
Die Antarktis hat auf die Russen immer schon einen besonderen Reiz ausgeübt.
So hat "Poljot" aus Anlass der ersten sowjetischen Antarktis-Expedition in geringen Stückzahlen ein Sondermodell "АНТАРКТИДА" / Antarktida mit dem Forschungsschiff vor der Skyline der Antarktis auf dem Zifferblatt herausgebracht.
Diese Uhr mit einer 24h-Indikation wurde von 1956 bis 1958 gebaut. Es gab sie mit schwarzem und mit hellem Zifferblatt.
Und auch "Raketa" hat in diesem Reigen mitgespielt. Die Uhrmacher aus Peterhof haben Anfang der 1960er Jahre ebenfalls eine "Antarktida" mit 24-Stunden-Anzeige gebaut. Anlass für diese Uhr war der "Antarktis-Vertrag" vom 1. Dezember 1959. Er regelt die friedliche Nutzung der Antarktis und fördert die wissenschaftliche Forschung am Südpol. Der Vertrag ist am 23. Juni 1961 in Kraft getreten.
Die Beschriftung auf dem Zifferblatt lautet:
"Sowjetische Antarktische Expeditionen"
Die roten Punkte am Rande des südpolaren Kontinents zeigen die sowjetischen Forschungsstationen:
"Bellinghausen" bei "20:00", "Nowolasarewskaja" bei "01:00", "Molodetschnaja" bei "03:00", "Mirny" bei "06:00", "Leningradskaja" bei "11:00" und "Wostok" auf dem Kontinent bei "06:00"
Diese "АНТАРКТИДА" von "Raketa" war bei den russischen Antarktisfahrern als Dienstuhr im Einsatz. Das beschreibt Werner Ekau, der eine solche mit schwarzem Zifferblatt Mitte der 1980er Jahre von einem russischen Meteorologen auf einer russischen Antarktisstation als Gastgeschenk bekommen hat (Uhren-Magazin, 6/96, S. 102ff).
Nicht ganz so ernst hat "Wostok" die Antarktis mit seiner "Metelitsa" (Blizzard) genommen.
Zeiten an Bord
Diese Antarktis-Expeditionen stellten nicht nur an die Schiffe besondere Anforderungen, sondern auch an die Uhren an Bord und für die Wissenschaftler. Denn nördlich bzw. südlich der beiden Polarkreise gibt es im jeweiligen Polaren Winter kein Sonnenlicht. Die Sonne hilft also nicht zu erkennen, ob es sich bei einer "normalen" Uhr und der Stellung des Stundenzeigers bei "Sechs" um 06:00 Uhr morgens oder 18:00 Uhr nachmittags handelt.
Für diesen Zweck sind Bord-Uhren in einem wasserdichten Gehäuse mit einer 24-Stunden-Indikation gebaut worden.
Und auch für anderweitige zivile und militärische Nutzung in Bereichen ohne Sonnenlicht hat die Sowjetunion bereits vor dem letzten Krieg Wanduhren für 24-Stunden in einem hölzernen Gehäuse gebaut:
Eine "Raketa"-Armbanduhr mit der 24-Stunden-Anzeige weist zwei weitere Besonderheiten für das Leben an Bord eines Schiffes auf:
Der äußere Ring, der mit der Krone bei "8" eingestellt werden kann, bezieht sich auf die 24 Stunden des Tages. Er zeigt die vier Tagwachen und die zwei Nachtwachen an Bord. Der rote Bereich wird auf die Wache des Trägers der Uhr eingestellt - hier: die "Hundswache". Auf großen Schiffseinheiten mit langem Aufenthalt auf See ist die Wache dreifach besetzt.
Die Zeiten einer "Wache" sind:
1. Tagwache (04:00 bis 08:00), 1. Mannschaft > "Morgenwache"
2. Tagwache (08:00 bis 12:00), 2. Mannschaft > "Vormittagswache"
3. Tagwache (12:00 bis 16:00), 3. Mannschaft > "Nachmittagswache"
4. Tagwache (16:00 bis 20:00), 1. Mannschaft > "Plattfuß"
1. Nachtwache (20:00 bis 24:00), 2. Mannschaft > "Abendwache"
2. Nachtwache (00:00 bis 04:00), 3. Mannschaft > "Hundswache"
Die Zeit an Bord wird auch akustisch "angezeigt". Das geschieht entweder durch Glocken-Schläge oder durch das Läutwerk einer "Glasen-Uhr". (Eine "Glasen-Uhr" aus russischer Produktion ist mir nicht bekannt)
Die Glasen-Schläge können mit dem Hebel bei "10:30" an- und abgeschaltet werden. Sie wiederholen sich für jede Wache mit acht verschiedenen Schlagarten, die ich am Beispiel der "Hundswache" darstelle:
00:00 > 4 Doppel-Schläge (Beginn der Wache)
00:30 > 1 Einzel-Schlag
01:00 > 1 Doppel-Schlag
01:30 > 1 Doppel-Schlag und 1 Einzel-Schlag
02:00 > 2 Doppel-Schläge
02:30 > 2 Doppel-Schläge und 1 Einzel-Schlag
03:00 > 3 Doppel-Schläge
03:30 > 3 Doppel-Schläge und 1 Einzel-Schlag
04:00 > 4 Doppel-Schläge (Ende der Wache)
Ein weiterer Bereich, der für das Leben auf hoher See wichtig ist und der "Zeiten an Bord" hat, ist der Funk-Verkehr - Sprech-Funk und Telegraphie-Funk. Um auch schwache Notrufe empfangen zu können, wird zu bestimmten Zeiten - vier Mal pro Stunde für jeweils drei Minute - kein Funk-Signal gesendet. Alle Geräte stehen auf Empfang:
Zwei Mal stündlich, für jeweils drei Minuten nach jeder vollen Stunde - "00" bis "03" - und nach jeder halben Stunde - "30" bis "33" - , wird der Seefunkverkehr für Notsignale im Sprech-Funk frei gehalten. Diese beiden Bereiche sind auf den russischen Uhren hell rot gekennzeichnet. International üblich ist eine blaue Kennung.
Die Bereiche "15" bis "18" und "45" bis "48" auf der Minuten-Scala werden für Notsignale im Telegraphie-Funk frei gehalten Sie sind auf den russischen Uhren in einem dunkleren rot gekennzeichnet.
Die beiden Bereiche für den Telegraphie-Funk sind auf der oben abgebildeten "Raketa_24h_Marine" blau gestrichelt.
Die Anfänge der Russischen Flotte
Neben Weskowo erhebt auch Woronesch, die Oblast-Hauptstadt nord-östlich des Asowschen Meeres, den Anspruch, Geburtsort der russischen Flotte zu sein.
Nach seinem ersten (vergeblichen) Versuch im Jahre 1695, die türkische Festung Asow - an der Mündung des Don in das Asowsche Meer - zu erobern, gab Peter I. den Befehl, in Woronesch eine Flotte zu bauen, die international konkurrenzfähig sein sollte. Holländische und englische Experten im Schiffbau unterstützten dabei die mehr als 25.000 russischen Werftarbeiter. Am 2. April 1696 lief die erste von 29 Galeeren mit ihrem Kapitän, Peter I., an Bord vom Stapel.
Gleichzeitig ließ Peter in anderen Werften Handelsschiffe und mehr als 1.000 Transportkähne bauen.
Der Kupferstich von Reilly zeigt bei "Asow", an der Mündung des Don in das Asowsche Meer, neben der Festung gekreuzte Schwerter als Zeichen für eine Schlacht und die beiden Jahreszahlen 1696 und 1736.
1696 steht für die Eroberung Asows durch Peter I. am 28. Juli 1696.
(1711 musste Peter – nach seiner Niederlage gegen die Osmanen in der Schlacht am Pruth – die Festung an die Osmanen zurückgeben)
1736 steht für die Eroberung Asows im Russisch-Österreichischen Türkenkrieg durch den russischen Feldmarschall Münnich.
(Im Frieden von Belgrad vom 18. September 1739 verzichtete Zarin Anna Iwanowna auf alle territorialen Eroberungen auf der Krim. Russland behielt die Festung Asow, musste die Festungswerke jedoch schleifen)
Peters Ziel war es, Asow in einem zweiten Anlauf zu erobern und somit einen Zugang zum Meer zu erhalten. Im Juli 1696 kapitulierte Asow nach kurzer Belagerung. In der Folgezeit verstärkte Peter I. den Schiffbau bis an die Grenze der wirtschaftlichen Belastbarkeit seines Landes. Dazu holte er ausländische Fachleute ins Land und schickte junge Russen nach Europa – vornehmlich nach Italien, England und Holland. Sie sollten dort praktische Erfahrungen in allen Marinefragen vom Schiffbau bis zur Seekriegführung erwerben.
Im Dezember 1696 begab sich Peter I. selbst auf seine fast zweijährige Europareise.
Zu Beginn des Nordischen Krieges im August 1700 hatte Peter I. das Ziel, einen Zugang zur Ostsee zu erhalten und so "ein Fenster nach Europa zu durchbrechen". Russland war damals bereits zu Lande und zu Wasser eine Großmacht.
Am Ende der Regierungszeit von Peter I. wies die russische Kriegsflotte einen Bestand von 28.000 Mann, 48 Linienschiffe und 787 Galeeren oder kleinere Einheiten auf. (Gittermann: Geschichte Russlands, Bd. II, S. 126)
Plejaden und Satelliten
Für die Navigation auf hoher See unterscheide ich drei Phasen:
- Die erste Phase reicht von der Antike bis zu den Chronometern
- Die zweite Phase ist die der Marine-Chronometer
- Die dritte Phase ist die der Satelliten-Navigation.
Auf die erste Phase, die der Plejaden, und die dritte Phase, die der Satelliten, werde ich hier nur kurz eingehen. Die zweite Phase braucht etwas mehr Platz.
Plejaden
Die Navigation ist so alt wie die seefahrende Menschheit. Prof. Dr. Herbert Dittrich war in Deutschland der führende Fachmann für Präzisionsuhren – Chronometer, Decksuhren, Präzisions-Pendeluhren (PPU). Er war mein väterlicher Freund und ich habe sehr viel von ihm gelernt. Prof. Dittrich hat in einem nicht veröffentlichten Manuskript eine kurze Geschichte der Navigation geschrieben. Daraus zwei Beispiele aus den Anfängen der Navigation:
"Im Altertum wurde eine küstennahe Schifffahrt schon sehr früh ausgeübt. Dazu brauchte man keine astronomische Ortsbestimmung. Sobald man aber den Schutz der Küste verließ, gelang ein >Kurshalten< für ein zielsicheres Ankommen nur durch Beobachtung der >Richtungsweiser<: Sonne, Mond und Sterne.
Um 700 v. Chr. beschrieb Hesidod, neben Homer der älteste griechische Geschichtsschreiber, in seiner >Opera< die Plejaden, das Siebengestirn.
Homer schildert in seiner >Odyssee< (Vers 269 – 277) und ganz ähnlich auch in der >Ilias< (XVIII 483 – 489) wie Odysseus nachts bei >vollem Mond und alle Sterne dazu< auf dem Meer mit dem Ruder steuert:
"... freudig spannte der Held im Winde die schwellenden Segel. Und nun setzt er sich hin ans Ruder und steuerte künstlich (nachts ohne direkte Sicht) über die Flut. Ihm schloss kein Schlummer die wachsamen Augen, auf die Plejaden gewandt und auf Bootes (Ochsentreiben, hinter dem Wagen oder auch Bärenhüter), der spät erst untergeht, und den Bären, der wohl auch Wagen genannt wird, welcher im Kreise sich dreht, den Blick zum Orion gewandt. ..."
So schildert Homer, wie Odysseus nachts auf hoher See als Steuermann navigierte. Er benutzte den Großen Bären als Richtungsweiser und als Himmelsuhr, denn er verbindet den Hinweis auf den Wagen damit, dass dieser sich im Kreise drehe. Gemeint ist damit, dass >der Bär, der auch Wagen genannt wird< als zirkumpolares Sternbild in 23 Stunden, 56 Minuten (Stern-Zeit) sich einmal >im Kreise dreht<. Er beschreibt also die >Himmelsuhr<, mit dem Großen Wagen als Zeiger, der sich um den Polarstern dreht. So verstehen wir die Himmelsuhr heute noch und lernen dies anschaulichst schon in frühester Jugend.
Auch in der Bibel wird in Hiob 9,9 und 38.31 einmal auf die geordneten Bahnen der Sterne und das andere Mal auf das richtungsweisende Gestirn des Wagens, auf Orion und das Siebengestirn hingewiesen."
Beim Auszug aus Ägypten hat Moses sein Volk noch "terrestrisch" navigiert:
"Und der HERR zog vor ihnen her des Tages in einer Wolken-Säule, dass es sie den rechten Weg führet, und des Nachts in einer Feuer-Säule, dass ER Ihnen leuchtete zu reisen Tag und Nacht.
Die Wolken-Säule wich nimmer von dem Volk des Tages, noch die Feuer-Säule des Nachts." (Moses, 2. Buch, 13.21-22)
Navigation war über Jahrhunderte eine komplexe Angelegenheit. Die wichtigsten Instrumente auf hoher See zur Bestimmung des Breiten- und des Längen-Grades waren der Kompass, ein Sextant, die Sonne, die Sterne - und eine genau gehende Uhr an Bord, ein Schiffs-Chronometer. In Küstengewässern erleichterten optische, akustische und funktechnische Verfahren die Kurs- und Standortbestimmung eines Schiffes.
Für die Kursbestimmung auf hoher See wurden Kreisel-Kompasse eingesetzt. Sie waren technisch einfach und wurden nicht über Uhrwerke gesteuert. Deswegen beschränke ich mich an dieser Stelle mit den Abbildungen zweier russischer Kompasse. Dem "КТ МСП" aus dem Jahren 1952 und dem "КМ100-3" von 1983.
Auf den wesentlich komplexeren "Astro-Kompass" "АК - 59П" gehe ich in dem Kapitel "Flugzeuge und Uhren" ein.
Auch die Sextanten zur Bestimmung des Breitengrades auf hoher See waren technisch einfach und wurden nicht über Uhrwerke gesteuert. Deswegen beschränke ich mich an dieser Stelle mit den Abbildungen eines russischen Trommelsextanten aus dem Jahr 1976.
Auf die komplexeren "Libellen-Sextanten" "ИАС - 1М" und "ИМС 3 ПС" mit ihren künstlichen Horizonten und einem Uhrwerk zur Bestimmung der Messdauer gehe ich in dem Kapitel: "Flugzeuge und Uhren" ein.
Satelliten
Die Navigation änderte sich ab Mitte der 1960er Jahre grundlegend. Wie grundlegend, das habe Ende der 1990er Jahre erfahren. Ich hatte damals Gelegenheit, dem Russischen Großsegler "МИР" / "MIR" bei einer Überwinterung im Hamburger Hafen in einer schwierigen Lage zu helfen.
Die MIR gehört zur Staatlichen Maritimen Makarow-Akademie in St. Petersburg. Präsident dieser Akademie war damals Prof. Kostilew. Die MIR dient der Ausbildung von zivilen Kadetten.
Bei einem Kapitäns-Dinner in Hamburg auf der MIR - u.a. mit Prof. Kostilew - bat ich ihn, mir die Instrumente zu zeigen, mit denen die Kadetten das "Handwerk" der Navigation lernen. Ich dachte dabei daran, ein russisches Marine-Chronometer, einen Sextanten und andere Geräte zu sehen.
Prof. Kostilew lächelte fast mitleidig und sagte mir: Solche veralteten Geräte haben wir nicht mehr an Bord. Unsere Kadetten lernen mit Satelliten-Systemen zu navigieren.
Ich erwähnte bei diesem Stichwort das russische System ГЛОНАСС / GLONASS. Und ich lag wieder falsch. Prof. Kostilew belehrte mich, dass ГЛОНАСС "blind" sei und auf der MIR mit GPS navigiert würde.
1964 wurde von der US-Marine für die Polaris-U-Boote das satellitengestütztes Funkortungsverfahren "Transit" entwickelt, das die Navigation revolutionierte.
1973 wurde dann das Global Positioning System (GPS) gestartet.
Der erste Satellit dafür das wurde am 22. Februar 1978 in eine Umlaufbahn von 20.200 km Höhe geschossen. Er ist wegen eines Defekts an der Atomuhr, die er an Bord hatte, nach knapp zwei Jahren ausgefallen. Im Dezember 1993 waren 24 Satelliten auf sechs verschiedenen Bahnen mit je vier Satelliten im Einsatz. Aber erst am 17. Juli 1995 wurde die volle Funktionsbereitschaft bekannt gegeben. Heute ist es möglich, seinen Standort auf wenige Zentimeter genau zu bestimmen. GPS hatte ursprünglich eine militärische Version mit höchster Präzision und eine künstliche Ungenauigkeit für den zivilen Gebrauch, die jedoch im Mai 2000 aufgehoben wurde.
Die russische Version des amerikanischen GPS ist ГЛОНАСС ГЛОбалъная НАвигационная Спутиковая Система , das Global Navigation Satellite System, GLONASS. Die Entwicklung begann 1972. Die Sowjetunion startete ihre ersten drei Satelliten für die globale Navigation am 12. Oktober 1982. Anfang 1996 umkreisten 24 russische Satelliten auf drei Bahnebenen mit je acht Satelliten den Globus. 1998 war ihre Zahl auf 13 und 2001 auf sieben gesunken. Das System war also bereits kurz nach Indienststellung nicht mehr einsetzbar. Seit Ende 2005 werden wieder GLONASS-Satelliten in den Weltraum geschossen. Bis Dezember 2009 waren es 21 Satelliten. In 2010 sollten neun weitere folgen. Am 12. September 2008 hatte Ministerpräsident Wladimir Putin den Ausbau von GLONASS angeordnet mit dem Ziel, dass 2012 alle für den Regelbetrieb notwendigen Satelliten im Orbit einsatzbereit sind. Seit 2011 ist GLONASS K1 in Betrieb und weitere Ausbaustufen sind in der Design-Phase.
Die oben angesprochene Zweite Phase der Navigation auf hoher See umfasst die Zeit der Chronometer zur Bestimmung des Längengrades. Hierbei beschränke ich mich auf die Chronometer, die in und für Russland gebaut wurden.
Ich unterteile diese Phase in drei historische Bereiche nämlich:
- die Zaristische Chronometrie
- die Zeit von 1917 bis 1945
- die Zeit von 1945 bis 1990.